1. Einleitung
Der Kauf oder Verkauf einer Immobilie ist für die meisten Menschen ein finanzieller und emotionaler Meilenstein – oft mit lebenslangen Folgen. Umso gravierender sind die Konsequenzen, wenn sich nach dem Abschluss des Kaufvertrags herausstellt, dass eine Partei bewusst über Mängel oder Umstände getäuscht wurde. In solchen Fällen spricht man von arglistiger Täuschung – einem Begriff, der nicht nur juristisch bedeutungsvoll ist, sondern im Immobilienbereich regelmäßig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt.
Doch was genau bedeutet arglistige Täuschung im Zusammenhang mit Immobilien? Welche Rechte haben Betroffene? Und wie lassen sich solche Situationen im Vorfeld vermeiden?
2. Was ist arglistige Täuschung im Immobilienkontext?
Die arglistige Täuschung ist im deutschen Zivilrecht in § 123 Abs. 1 BGB geregelt. Dort heißt es:
„Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.“
Juristische Kernelemente der arglistigen Täuschung:
- Täuschung – Eine bewusst falsche Aussage oder das vorsätzliche Verschweigen eines Umstands, der für den anderen Vertragspartner wesentlich ist.
- Arglist – Die Täuschung muss vorsätzlich erfolgen. Es reicht nicht, wenn der Verkäufer einen Mangel „übersehen“ hat – er muss ihn gekannt und verschwiegen haben.
- Kausalität – Die Täuschung muss ursächlich für den Vertragsabschluss gewesen sein. Hätte der Käufer von dem verschwiegenen Mangel gewusst, hätte er den Vertrag nicht oder zu anderen Bedingungen abgeschlossen.
Abgrenzung zu anderen Rechtsbegriffen:
- Fahrlässigkeit: Wird ein Mangel versehentlich nicht erkannt, liegt keine Arglist vor – möglicherweise aber eine vorvertragliche Pflichtverletzung.
- Irrtum: Ein unbeabsichtigter Fehler kann unter bestimmten Umständen zu einer Anfechtung führen, hat aber andere rechtliche Voraussetzungen.
- Gewährleistung: Die Gewährleistung regelt Mängelrechte nach Vertragsschluss – bei Arglist ist oft schon die Vertragsanbahnung fehlerhaft.
Relevanz im Immobilienbereich:
Im Immobilienrecht spielt die arglistige Täuschung eine besonders wichtige Rolle, weil:
- Immobilienkäufe meist hohe Werte betreffen,
- Verkäufer oft versuchen, sich mit Haftungsausschlüssen abzusichern,
- und Käufer in der Regel auf die Angaben und Informationen des Verkäufers vertrauen müssen.
Ein typisches Beispiel ist das Verschweigen eines bekannten Feuchtigkeitsschadens im Keller. Weiß der Verkäufer von Schimmel oder einem früheren Wasserschaden, gibt diesen jedoch bewusst nicht an, obwohl er weiß, dass dies für den Käufer entscheidend ist, liegt in der Regel eine arglistige Täuschung vor.
3. Typische Fälle arglistiger Täuschung beim Immobilienkauf
Die Praxis zeigt, dass arglistige Täuschung beim Immobilienkauf in unterschiedlichsten Formen auftreten kann. Gemeinsam ist ihnen allen, dass wesentliche Informationen bewusst verschwiegen oder falsch dargestellt werden – meist mit dem Ziel, den Verkauf zu erleichtern oder einen höheren Preis zu erzielen. Im Folgenden einige der häufigsten Konstellationen:
3.1. Verschweigen von Baumängeln oder Schäden
Der Klassiker unter den Täuschungen ist das absichtliche Verschweigen gravierender Mängel, zum Beispiel:
- Schimmelbefall, insbesondere hinter Möbeln oder in Kellerräumen
- Feuchtigkeitsschäden, etwa nach Rohrbrüchen oder Hochwasser
- Risse in tragenden Wänden, die auf statische Probleme hinweisen
- Asbesthaltige Baustoffe, z. B. in Dämmmaterialien oder Bodenbelägen
- Undichte Dächer oder mangelhafte Isolierung
Oft werden solche Mängel überdeckt oder notdürftig kaschiert (z. B. frisch gestrichen oder verkleidet), um eine Besichtigung unauffällig wirken zu lassen.
3.2. Falschangaben zur Wohnfläche oder Ausstattung
Verkäufer oder Makler machen gelegentlich unzutreffende Angaben – zum Teil absichtlich, zum Teil aus Nachlässigkeit:
- Übertreibung der Wohnfläche (z. B. Einbeziehung nicht anrechenbarer Flächen wie Dachschrägen oder nicht genehmigter Anbauten)
- Irreführende Aussagen zu Ausstattung, etwa zur Heizungsart, zu eingebauten Elementen oder zum energetischen Zustand
- Behauptung einer neuen Renovierung, obwohl nur oberflächlich modernisiert wurde
3.3. Täuschung über rechtliche oder wirtschaftliche Risiken
Hier geht es um Informationen, die nicht die Substanz der Immobilie betreffen, aber für die Nutzbarkeit oder Werthaltigkeit entscheidend sind:
- Verschweigen bestehender Mietverhältnisse, z. B. mit zahlungsunwilligen oder unkündbaren Mietern
- Unkenntlichmachung von Belastungen, etwa durch Erbbaurechte, Wegerechte, Altlasten oder Grundschulden
- Verkauf mit baurechtlich unzulässiger Nutzung, z. B. Nutzung eines Nebengebäudes als Wohnraum ohne Genehmigung
3.4. Verhalten von Maklern
Auch Makler können arglistig täuschen, etwa durch:
- Wissentlich falsche Aussagen zur Lage, zum Baurecht oder zur Nachbarschaft
- Verschweigen bekannter Mängel, obwohl eine Offenbarungspflicht besteht
- Verwendung veralteter Exposés mit nicht mehr zutreffenden Informationen
Wichtig: Makler sind nicht automatisch für Täuschungen des Verkäufers verantwortlich – aber sie haften, wenn sie selbst aktiv täuschen oder bewusst mitwirken.
4. Aufklärungspflichten und Grenzen der vertraglichen Haftung
Im Immobilienkauf gilt grundsätzlich der Grundsatz: „Gekauft wie gesehen.“ Dennoch bedeutet das nicht, dass Verkäufer oder Makler beliebig Informationen zurückhalten dürfen. In bestimmten Fällen besteht eine gesetzliche Aufklärungspflicht – und deren Verletzung kann eine arglistige Täuschung begründen.
4.1. Aufklärungspflichten des Verkäufers
Ein Verkäufer ist verpflichtet, über wesentliche Umstände aufzuklären, die für die Kaufentscheidung des Käufers erheblich sind – insbesondere dann, wenn:
- der Käufer den Umstand bei objektiver Betrachtung nicht erkennen konnte,
- der Verkäufer weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass dieser Umstand die Kaufentscheidung beeinflusst,
- und der Umstand von erheblicher Bedeutung ist (z. B. gravierende Mängel, öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen, drohende Sanierungsmaßnahmen).
Beispiele für aufklärungspflichtige Tatsachen:
- Feuchte Keller oder Schimmelbefall
- Unwirtschaftliche oder defekte Heizungsanlagen
- Altlasten oder Belastungen im Grundbuch
- Bauliche Veränderungen ohne Genehmigung
- Rechtsstreitigkeiten rund um das Objekt (z. B. Nachbarschaftsstreit, Rückbauverfügungen)
Es ist nicht erforderlich, dass der Verkäufer alle Informationen proaktiv zusammenträgt – aber wenn er Kenntnis hat, muss er diese mitteilen.
4.2. Grenzen der Aufklärungspflicht
Nicht jeder Mangel muss offengelegt werden. Es gibt auch Grenzen:
- Offensichtliche Mängel: Was bei der Besichtigung leicht erkennbar ist (z. B. feuchte Wände, abgeplatzter Putz), muss grundsätzlich nicht eigens erwähnt werden.
- Allgemein bekannte Risiken: Der Käufer muss sich über gewisse Dinge selbst informieren, z. B. über die Hochwassergefährdung einer Region.
Trotzdem gilt: Wer bewusst selbstoffenbarungspflichtige Tatsachen verschweigt, obwohl der andere Teil darauf vertrauen darf, dass solche Umstände mitgeteilt werden, handelt arglistig.
4.3. Vertragliche Haftungsausschlüsse – (k)eine Sicherheit für den Verkäufer
Viele Immobilienkaufverträge enthalten Klauseln wie:
„Die Immobilie wird unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung verkauft.“
Solche Haftungsausschlüsse sind in bestimmten Grenzen zulässig – jedoch nicht bei Arglist (§ 444 BGB). Das bedeutet:
- Hat der Verkäufer arglistig getäuscht, wirkt der Haftungsausschluss nicht.
- Auch ein umfassender Ausschluss schützt nicht vor einer Anfechtung oder Schadensersatzpflicht.
- Käufer können sich also trotz solcher Klauseln erfolgreich wehren, wenn sie getäuscht wurden.
5. Beweislast und Nachweis der Arglist
Die rechtliche Möglichkeit, einen Immobilienkauf wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder Schadensersatz zu verlangen, besteht zwar – doch in der Praxis steht und fällt der Erfolg mit dem Nachweis der Täuschung. Hier liegt eine der größten Hürden für geschädigte Käufer.
5.1. Wer muss was beweisen?
Grundsätzlich gilt:
- Der Käufer trägt die Beweislast für die arglistige Täuschung.
- Er muss nachweisen, dass der Verkäufer (oder Makler) eine wesentliche Tatsache bewusst verschwiegen oder falsch dargestellt hat.
- Zudem muss belegt werden, dass der Käufer bei Kenntnis der wahren Umstände den Kauf nicht oder zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte.
5.2. Was gilt als Beweis für Arglist?
Arglist liegt vor, wenn jemand einen Mangel oder einen relevanten Umstand kennt und dennoch verschweigt – mit dem Ziel, die andere Partei zu täuschen. Das ist schwer zu belegen, aber nicht unmöglich. Zu den typischen Beweismitteln gehören:
- E-Mails, Chatverläufe oder Schreiben, aus denen hervorgeht, dass dem Verkäufer der Mangel bekannt war
- Zeugen, etwa Handwerker, Nachbarn oder Makler, die über bestimmte Zustände informiert wurden oder Aussagen des Verkäufers bezeugen können
- Gutachten, die frühere Schäden oder Sanierungen dokumentieren
- Fotos oder Videos, die Manipulationen zeigen (z. B. übermalter Schimmel)
- Verheimlichte Bauunterlagen (z. B. zur Nutzungsänderung oder Baugenehmigung)
Ein bloßes „Hätte er wissen müssen“ reicht nicht – es muss positive Kenntnis oder zumindest ein billigendes Inkaufnehmen („na wenn schon“) nachgewiesen werden.
5.3. Indizien und typische Verhaltensweisen
Da direkte Beweise selten sind, können Indizien und Verhalten des Verkäufers entscheidend sein. Gerichte werten z. B. als verdächtig:
- Ungewöhnlich schnelle Verkaufsabwicklung
- Ausweichende oder widersprüchliche Aussagen bei Nachfragen
- Frisch renovierte, aber auffällig bestimmte Bereiche (z. B. nur eine Wand gestrichen)
- Unvollständige oder zurückgehaltene Unterlagen
In der Rechtsprechung genügt mitunter ein Umstandsmosaik, also die Kombination mehrerer Indizien, um Arglist zu bejahen.
5.4. Bedeutung für den Käufer
Käufer sollten möglichst frühzeitig Beweise sichern – etwa durch:
- Schriftliche Kommunikation dokumentieren
- Zeugen zu Besichtigungen mitnehmen
- Fotos vom Zustand der Immobilie anfertigen
- Bei Verdacht: Sachverständige vor Vertragsabschluss einschalten
Denn: Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es, die Arglist nachzuweisen.
6. Rechtsfolgen der arglistigen Täuschung
Wird eine arglistige Täuschung erfolgreich nachgewiesen, hat dies schwerwiegende rechtliche Konsequenzen – sowohl für den Verkäufer oder Makler als auch für den Käufer. Das Gesetz stellt dem Getäuschten verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung, um sich gegen die Folgen zu wehren.
6.1. Anfechtung des Kaufvertrags nach § 123 BGB
Die erste und wichtigste Möglichkeit ist die Anfechtung des Kaufvertrags. Sie hat folgende Auswirkungen:
- Der Kaufvertrag wird rückwirkend (ex tunc) als nichtig behandelt.
- Es findet eine Rückabwicklung statt: Käufer gibt die Immobilie zurück, Verkäufer den Kaufpreis.
- Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, ab Entdeckung der Täuschung (§ 124 BGB).
Wichtig: Die Anfechtung ist nur möglich, wenn der Käufer beweisen kann, dass er durch Täuschung zum Vertragsschluss verleitet wurde. Bei nur fahrlässiger Falschaussage ist dieser Weg versperrt.
6.2. Rückabwicklung des Kaufvertrags
Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung oder bei Rücktritt (z. B. aus vertraglichen Mängelrechten) gilt:
- Immobilie zurück an den Verkäufer
- Kaufpreis zurück an den Käufer, ggf. abzüglich Nutzungen oder Wertverlust
- Rückzahlung eventuell gezahlter Nebenkosten (z. B. Grunderwerbsteuer, Notar, Makler), wobei eine vollständige Erstattung nicht garantiert ist
In der Praxis ist die Rückabwicklung oft komplex, vor allem wenn:
- Hypotheken bestehen,
- die Immobilie bereits genutzt oder umgebaut wurde,
- oder dritte Parteien (z. B. Mieter) involviert sind.
6.3. Schadensersatz
Neben der Anfechtung kann der Käufer Schadensersatz verlangen:
- Ersatz des durch die Täuschung verursachten Schadens
- Beispiele: Sanierungskosten, Gutachterkosten, Wertminderung der Immobilie, Mietausfälle
Der Geschädigte soll dabei so gestellt werden, wie er ohne Täuschung stünde – das kann neben der Rückabwicklung auch einen finanziellen Ausgleich bei Vertragserfüllung bedeuten.
6.4. Verjährung
Bei arglistiger Täuschung gelten besondere Verjährungsfristen:
- Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Kenntnis der Täuschung (§ 195, 199 BGB).
- Gewährleistungsfristen aus dem Kaufrecht (z. B. 5 Jahre für Bauwerke) sind bei Arglist nicht anwendbar, da Arglist die Verjährung hemmt oder verlängert (§ 438 Abs. 3 BGB).
6.5. Besondere Situation bei finanzierten Immobilien
Wenn der Kauf über ein Bankdarlehen finanziert wurde, ergeben sich zusätzliche Folgen:
- Im Falle der Anfechtung kann der Käufer versuchen, auch den Darlehensvertrag rückabzuwickeln, wenn dieser „verbunden“ im Sinne des Verbraucherdarlehensrechts war.
- Die Bank ist in der Regel nicht direkt haftbar, es sei denn, sie war in die Täuschung einbezogen oder hat Kenntnis gehabt.
7. Urteile und Praxisbeispiele
Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle arglistiger Täuschung im Immobilienbereich entschieden. Diese Urteile zeigen, worauf es ankommt – und woran viele Klagen scheitern. Hier sind einige markante Beispiele aus der Praxis:
7.1. BGH: Schimmel unter der Holzverkleidung – Anfechtung gerechtfertigt
(BGH, Urteil vom 6.3.2009 – V ZR 74/08)
In diesem Fall hatte der Verkäufer einen großflächigen Schimmelbefall hinter einer Holzverkleidung im Keller verschwiegen. Der Käufer bemerkte den Schaden erst nach dem Einzug. Der Bundesgerichtshof entschied:
→ Das bewusste Verschweigen des verdeckten Mangels sei arglistig.
→ Der Käufer durfte den Vertrag anfechten.
→ Der allgemeine Haftungsausschluss im Vertrag griff nicht, da Arglist vorlag.
7.2. OLG Hamm: Falsche Wohnflächenangabe
(OLG Hamm, Urteil vom 13.6.2013 – 5 U 174/12)
Eine Wohnung war im Exposé mit 97 m² angegeben, tatsächlich betrug die Fläche nur rund 85 m². Der Verkäufer hatte dies gewusst, aber nicht korrigiert.
→ Das Gericht sah hierin eine arglistige Täuschung.
→ Die Differenz von über 10 % wurde als wesentlicher Mangel gewertet.
→ Schadensersatz wurde zugesprochen.
7.3. LG Köln: Schadhafter Dachstuhl trotz Sanierung
(LG Köln, Urteil vom 21.10.2014 – 10 O 68/13)
Der Verkäufer hatte angegeben, das Dach sei vollständig erneuert worden. Tatsächlich war es nur notdürftig instand gesetzt.
→ Die falsche Darstellung im Verkaufsgespräch und im Exposé wurde als vorsätzliche Täuschung gewertet.
→ Die Käufer erhielten Schadensersatz für die erforderliche Neueindeckung.
7.4. Fallbeispiel aus der Praxis: Mietrückstände verschwiegen
Ein privater Verkäufer veräußerte ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Dem Käufer wurde zugesichert, alle Mieter seien zahlungskräftig. Tatsächlich bestanden erhebliche Mietrückstände, was sich erst nach der Eigentumsumschreibung herausstellte.
→ Der Käufer konnte beweisen, dass der Verkäufer die Rückstände kannte.
→ Das Gericht bejahte Arglist, der Käufer durfte zurücktreten und erhielt Ersatz für Einnahmeausfälle.
8. Prävention: So schützen sich Käufer und Verkäufer
Arglistige Täuschung kann schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen haben – für Käufer ebenso wie für Verkäufer. Der beste Schutz ist daher Vorbeugung. Wer bestimmte Grundregeln beachtet und frühzeitig prüft, kann viele Konflikte vermeiden oder zumindest Risiken deutlich reduzieren.
8.1. Tipps für Käufer: Wachsam prüfen, gezielt fragen
1. Fragen Sie gezielt nach möglichen Problemen, z. B.:
- Gab es Feuchtigkeitsschäden, Schimmel oder Hausschwamm?
- Wurden bauliche Änderungen vorgenommen – und sind diese genehmigt?
- Gibt es Altlasten, Einschränkungen im Grundbuch oder bekannte Mängel?
- Gibt es Streit mit Nachbarn oder Behörden?
2. Lassen Sie sich alles schriftlich geben:
- Exposé, Energieausweis, Baupläne, Grundbuchauszug, Protokolle der Eigentümerversammlung
- Bestätigen Sie kritische Aussagen per E-Mail („Zur Klarstellung: Sie haben gesagt, …?“)
3. Ziehen Sie Sachverständige hinzu:
- Vor allem bei älteren Gebäuden ist ein Baugutachten oft sinnvoll
- Auch eine rechtliche Prüfung durch einen Anwalt kann sich lohnen
4. Dokumentieren Sie den Zustand der Immobilie:
- Fotos, Videos, Zeugen bei der Besichtigung
- Besonders bei nicht einsehbaren Bereichen (Keller, Dach, Installationen)
5. Vorsicht bei überhasteten Käufen:
- Zeitdruck und emotionale Entscheidungen sind ein häufiger Nährboden für Täuschungen
- Lassen Sie sich nicht zu schnellen Unterschriften drängen
8.2. Tipps für Verkäufer: Offenheit schützt vor späteren Klagen
1. Offenlegung ist besser als Verschweigen:
- Mängel, die bekannt sind, sollten klar benannt werden – idealerweise dokumentiert
- Kleine Schäden sind selten ein Dealbreaker – eine nachgewiesene Täuschung aber schon
2. Übergabeprotokolle und Dokumente bereitstellen:
- Gut sortierte Unterlagen erhöhen die Glaubwürdigkeit
- Übergabe eines ordentlichen Bauordners wirkt professionell und transparent
3. Klare Kommunikation mit dem Makler:
- Makler sollten über alle bekannten Umstände informiert werden
- Falsche Angaben im Exposé können dem Verkäufer ebenfalls zur Last gelegt werden
4. Realistische Preisgestaltung:
- Wer über Mängel hinwegtäuscht, um einen höheren Preis zu erzielen, riskiert Rückabwicklung
- Seriöse Bewertungen helfen, auch mit Transparenz einen marktgerechten Preis zu erzielen
5. Keine pauschalen „vergessenen“ Mängel:
- Wer nachträglich behauptet, er habe Mängel „nicht gekannt“, sollte im Zweifel belegen können, dass dies wirklich der Fall war
- Lieber einen Sachverständigen hinzuziehen, als ins Blaue zu verkaufen
8.3. Rolle des Notars – aber nicht als Prüfer
Ein häufiger Irrtum: Notare prüfen nicht den Zustand der Immobilie. Ihre Aufgabe ist es, den Kaufvertrag rechtswirksam zu beurkunden – nicht aber, Inhalte auf Richtigkeit oder Vollständigkeit zu kontrollieren. Käufer sollten sich also nicht darauf verlassen, dass der Notar „alles schon geregelt hat“.
8.4. Checkliste: Warnsignale für Käufer
- Verkäufer verweigert Einsicht in Unterlagen oder Gutachten
- Ungewöhnlich schnelle Abwicklung wird verlangt („Sofort entscheiden!“)
- Nur oberflächliche Renovierungen an kritischen Stellen
- Aussagen ohne schriftliche Absicherung
- Keine klaren Antworten auf kritische Fragen
9. Fazit
Die arglistige Täuschung beim Immobilienkauf ist kein Randphänomen – sie betrifft private Käufer genauso wie professionelle Investoren. Die Folgen können gravierend sein: finanzielle Verluste, langwierige Gerichtsverfahren und im schlimmsten Fall der Rückabwicklungszwang eines ganzen Kaufvertrags.
Wer eine Immobilie kauft oder verkauft, sollte sich der rechtlichen Bedeutung von Offenheit und Wahrheit bewusst sein. Käufer haben ein Recht auf vollständige und ehrliche Informationen, während Verkäufer gut beraten sind, nichts Wesentliches zu verschweigen – auch wenn es unbequem ist. Denn: Der Versuch, einen Mangel zu verdecken, endet oft teurer als dessen transparente Offenlegung.
Für Käufer gilt:
- Vertrauen ist gut – aber Dokumentation, Nachfragen und Gutachten sind besser.
- Frühzeitig juristischen oder fachlichen Rat einholen kann vor bösen Überraschungen schützen.
- Wird eine Täuschung entdeckt, zählt schnelles Handeln – insbesondere wegen Fristen für Anfechtung oder Schadensersatz.
Für Verkäufer gilt:
- Wer offen mit Mängeln umgeht, reduziert sein Haftungsrisiko erheblich.
- Ein strukturierter und ehrlicher Verkaufsprozess stärkt das Vertrauen – und kann den Verkaufswert sogar steigern.
Kurz gesagt: Arglistige Täuschung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein ernstzunehmender Rechtsverstoß mit weitreichenden Folgen. Durch Prävention, klare Kommunikation und rechtliches Bewusstsein können viele Streitfälle vermieden werden – zum Vorteil aller Beteiligten.