1. Einleitung
Bauliche Veränderungen innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gehören zu den häufigsten Ursachen für Diskussionen, Unsicherheit und rechtliche Auseinandersetzungen. Was auf den ersten Blick wie eine harmlose Maßnahme erscheint – etwa das Anbringen einer Markise, der Einbau eines Treppenlifts oder die Installation einer Ladesäule für Elektrofahrzeuge – kann in der Praxis komplexe juristische Fragestellungen aufwerfen.
Spätestens seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 hat sich der rechtliche Rahmen für bauliche Maßnahmen deutlich verändert. Die Novelle zielte darauf ab, die Entscheidungsfindung innerhalb von Eigentümergemeinschaften zu erleichtern, zugleich aber die Interessen einzelner Eigentümer weiterhin zu schützen.
Für Wohnungseigentümer, Verwalter und alle Beteiligten ist es daher unerlässlich zu wissen:
- Was zählt eigentlich als bauliche Veränderung?
- Wer darf was entscheiden – und mit welcher Mehrheit?
- Wie werden solche Maßnahmen rechtssicher beantragt und umgesetzt?
- Was droht bei einem rechtswidrigen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum?
2. Begriffsklärung: Was sind bauliche Veränderungen?
Abgrenzung zu Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung
Im Wohnungseigentumsrecht ist es essenziell, zwischen verschiedenen Arten von baulichen Maßnahmen zu unterscheiden. Nicht jede bauliche Maßnahme stellt automatisch eine „bauliche Veränderung“ im Sinne des WEG dar.
Bauliche Veränderungen im engeren Sinne sind Maßnahmen, die das Erscheinungsbild, die Nutzung oder die Struktur des gemeinschaftlichen Eigentums dauerhaft verändern – und zwar über das bloße Erhalten oder Verbessern hinaus.
Demgegenüber stehen:
- Instandhaltungen: Maßnahmen zur Bewahrung des ordnungsgemäßen Zustands (z. B. regelmäßiger Anstrich, Austausch verschlissener Bauteile).
- Instandsetzungen: Wiederherstellung bei Schäden oder Defekten (z. B. Reparatur eines undichten Dachs).
- Modernisierungen: Verbesserungen des Zustands, etwa zur Energieeinsparung oder zur Steigerung des Wohnwerts – ohne grundlegende Veränderung der Anlage.
Der Unterschied liegt oft in der Zielsetzung: Während Instandhaltung und -setzung auf den Erhalt des Status quo gerichtet sind, zielt eine bauliche Veränderung auf eine Gestaltungsänderung oder Nutzungsmodifikation ab.
Typische Beispiele für bauliche Veränderungen
- Anbau eines Balkons oder Wintergartens
- Einbau eines Aufzugs oder Treppenlifts
- Errichtung von Zäunen, Mauern oder Gartenhäuschen im Gemeinschaftsbereich
- Installation einer Ladesäule für E-Autos (Wallbox) auf einem Gemeinschaftsparkplatz
- Anbringung von Markisen oder Rollläden, sofern sichtbar von außen
- Austausch von Haustüren, Fenstern oder Fassadenelementen gegen optisch abweichende Modelle
Diese Maßnahmen greifen regelmäßig in das gemeinschaftliche Eigentum ein und bedürfen daher – abhängig vom Einzelfall – der Zustimmung der Gemeinschaft.
Bedeutung für das gemeinschaftliche Eigentum
Der rechtliche Begriff „gemeinschaftliches Eigentum“ umfasst alle Gebäudeteile und Anlagen, die nicht im Sondereigentum eines einzelnen Eigentümers stehen. Bauliche Veränderungen an diesen Teilen betreffen zwangsläufig alle Eigentümer, da sie das äußere Erscheinungsbild oder die Nutzung der Gesamtanlage beeinflussen können.
Gerade hier setzt der rechtliche Schutzmechanismus an: Durch die erforderlichen Zustimmungen sollen individuelle Interessen mit dem Gemeinschaftsinteresse in Einklang gebracht werden.
3. Rechtlicher Rahmen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG)
Entwicklung: WEG-Reform 2020 als Wendepunkt
Bis zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes im Dezember 2020 war die Rechtslage bei baulichen Veränderungen eher restriktiv: Für jede Maßnahme, die über die bloße Instandhaltung hinausging, war grundsätzlich die Zustimmung aller betroffenen Eigentümer erforderlich (§ 22 Abs. 1 WEG a.F.). Ein einzelner Widerspruch konnte eine Maßnahme blockieren – selbst wenn sie sinnvoll oder gesellschaftlich erwünscht war.
Die WEG-Reform 2020 hat diesen Zustand grundlegend geändert. Ziel war eine Modernisierung und Flexibilisierung des Entscheidungsprozesses, ohne den Schutz der Eigentümer völlig aufzugeben. Seither ist das zentrale Regelwerk für bauliche Veränderungen § 20 WEG n. F. (neue Fassung).
§ 20 WEG – Die aktuelle Rechtslage
Die Vorschrift des § 20 WEG regelt nun abschließend, wann und wie bauliche Veränderungen vorgenommen werden dürfen.
Abs. 1 – Grundsatz: Mehrheit statt Einstimmigkeit
„Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, wenn alle Eigentümer zustimmen oder mit einfacher Mehrheit ein entsprechender Beschluss gefasst wird.“
Damit genügt grundsätzlich eine einfache Mehrheit, sofern die Maßnahme nicht unzumutbar ist. Das ist eine erhebliche Erleichterung im Vergleich zur früheren Rechtslage.
Abs. 2 – Privilegierte Maßnahmen
Besonders hervorgehoben werden sogenannte privilegierte bauliche Veränderungen, zu denen jeder Eigentümer nun einen Anspruch hat, auch gegen den Willen der Mehrheit:
- Maßnahmen zur Barrierefreiheit
- Maßnahmen zum Einbruchschutz
- Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität (z. B. Wallbox)
- Maßnahmen zum schnellen Internetzugang
Diese Maßnahmen dürfen nicht willkürlich verweigert werden. Die Gemeinschaft muss sie in der Regel dulden, solange sie angemessen und fachgerecht umgesetzt werden.
Abs. 3 – Kostentragung
Wird eine bauliche Veränderung nicht mehrheitlich beschlossen, sondern nur von einem oder mehreren Eigentümern verlangt, müssen diese auch die Kosten allein tragen.
Einzelmaßnahmen vs. Gemeinschaftsmaßnahmen
Ein wichtiger Unterschied besteht zwischen:
- Gemeinschaftlichen baulichen Veränderungen, die von der gesamten Eigentümergemeinschaft getragen und beschlossen werden, und
- Individuellen Maßnahmen, die ein einzelner Eigentümer (z. B. für seinen Stellplatz oder Balkon) initiiert, aber auf Zustimmung angewiesen ist.
Nur wenn sich eine Mehrheit für eine Maßnahme entscheidet (z. B. Aufzugseinbau im ganzen Haus), ist die Gemeinschaft als Ganzes zur Kostentragung verpflichtet.
4. Zustimmungspflichten und Mehrheitsverhältnisse
Wann braucht es wessen Zustimmung?
Die Entscheidung über bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum ist grundsätzlich gemeinschaftssache. Doch welche Mehrheit erforderlich ist, hängt davon ab, welcher Art die Maßnahme ist und wer von ihr betroffen ist.
Die WEG-Reform hat die Anforderungen deutlich gesenkt – von der früheren Einstimmigkeit zur einfachen Mehrheit. Dennoch gibt es Unterschiede:
1. Einfache Mehrheit genügt (§ 20 Abs. 1 WEG)
Für die meisten baulichen Veränderungen reicht eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen in der Eigentümerversammlung – selbst dann, wenn einige Eigentümer von der Maßnahme nachteilig betroffen sind. Allerdings dürfen die Nachteile nicht unbillig oder unzumutbar sein.
Beispiele:
- Errichtung eines Fahrradabstellplatzes
- Austausch des Bodenbelags im Treppenhaus gegen rutschfeste Fliesen
- Umgestaltung des Gemeinschaftsgartens
2. Zustimmung ist erforderlich bei unzumutbarer Beeinträchtigung
Wenn eine Maßnahme einzelne Eigentümer erheblich und unzumutbar beeinträchtigt, etwa durch:
- dauerhafte Lärm- oder Sichtbelastung,
- Einschränkung der Nutzung des Sondereigentums,
- Eingriffe in ihre Rechte als Wohnungseigentümer,
dann kann die einfache Mehrheit nicht greifen. In solchen Fällen ist eine Zustimmung dieser Eigentümer erforderlich oder die Maßnahme kann rechtlich angreifbar sein.
Beispiel:
- Ein Aufzugsschacht wird vor das einzige Fenster einer Erdgeschosswohnung gebaut.
3. Keine Mehrheit nötig bei privilegierten Maßnahmen (§ 20 Abs. 2 WEG)
Einzelne Eigentümer haben einen durchsetzbaren Anspruch auf bestimmte Maßnahmen – unabhängig von einem Beschluss der Gemeinschaft. Diese Maßnahmen müssen lediglich fachgerecht geplant und durchgeführt werden:
- Barrierefreiheit (z. B. Rampe, breitere Türen)
- Ladestation für Elektrofahrzeuge (Wallbox)
- Einbruchschutzmaßnahmen (z. B. Türverstärkungen)
- schnelles Internet (z. B. Glasfaseranschluss)
Die Eigentümergemeinschaft kann solche Vorhaben nicht einfach ablehnen, sondern darf höchstens Anpassungen fordern, wenn diese zumutbar und verhältnismäßig sind.
Rechte und Pflichten der Eigentümergemeinschaft
Die Gemeinschaft hat in Bezug auf bauliche Veränderungen mehrere Aufgaben:
- Beschlussfassung – nach ordnungsgemäßer Ankündigung in der Tagesordnung der Eigentümerversammlung.
- Dokumentation – der Beschluss muss protokolliert und archiviert werden (§ 20 Abs. 4 WEG).
- Duldungspflicht – bei privilegierten Maßnahmen muss die Gemeinschaft ggf. dulden, auch wenn sie nicht zustimmt.
- Kostenregelung – die Gemeinschaft entscheidet mit, wer die Kosten trägt (nur Antragsteller oder alle Eigentümer).
Zudem muss sie sicherstellen, dass die bauliche Maßnahme nicht gegen öffentliches Recht oder bauliche Vorschriften verstößt – eine wichtige Rolle spielt hier auch die Bauaufsicht.
5. Einfluss einzelner Eigentümer – Was darf man allein entscheiden?
Grundsatz: Eingriffe in Gemeinschaftseigentum nur mit Zustimmung
Einzelne Wohnungseigentümer haben grundsätzlich ein Recht, ihr Sondereigentum (z. B. Innenräume ihrer Wohnung) nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Sobald jedoch das Gemeinschaftseigentum betroffen ist – also beispielsweise Fassade, Treppenhaus, Dach, tragende Wände oder gemeinschaftlich genutzte Flächen – endet die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen. Eingriffe in diese Bereiche bedürfen in der Regel eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft.
Was darf ein Eigentümer allein entscheiden?
Ohne Zustimmung sind bauliche Veränderungen im Regelfall nur dann zulässig, wenn sie:
- ausschließlich das Sondereigentum betreffen,
- keine optische Veränderung der Wohnanlage nach außen bewirken,
- keine Rechte anderer Eigentümer beeinträchtigen oder Gefahren verursachen.
Beispiele:
- Verlegen eines neuen Bodenbelags innerhalb der eigenen Wohnung
- Einbau einer Einbauküche
- Austausch von Innentüren oder Sanitäranlagen
- Malerarbeiten an Innenwänden
Diese Maßnahmen gelten als Innenausbau und sind im Grundsatz unproblematisch – solange keine Schall- oder Wärmebrücken entstehen oder tragende Strukturen betroffen sind.
Typische Grauzonen – wo es kritisch wird
Einige bauliche Eingriffe liegen an der Grenze zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum oder haben Auswirkungen nach außen. Dann ist Vorsicht geboten:
- Fenster und Außentüren: Gehören in der Regel zum Gemeinschaftseigentum – Austausch oder Veränderung nur mit Beschluss!
- Markisen, Rollläden, Klappläden: Ändern das äußere Erscheinungsbild – daher zustimmungspflichtig.
- Satellitenschüsseln: Wenn sie an der Fassade oder auf dem Dach angebracht werden sollen, ist ein Beschluss erforderlich.
- Trennwände im Keller oder Dachboden: Nur erlaubt, wenn keine statischen oder brandschutzrechtlichen Belange berührt werden.
Ein häufiger Fehler besteht darin, davon auszugehen, dass bauliche Veränderungen im „eigenen Bereich“ immer auch ohne Zustimmung zulässig seien. Entscheidend ist jedoch nicht nur der Ort, sondern auch der Einfluss auf die Gemeinschaft.
Folgen eigenmächtiger Maßnahmen
Wer ohne Genehmigung bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum vornimmt, riskiert rechtliche Konsequenzen, etwa:
- Rückbauverpflichtung auf eigene Kosten
- Abmahnung durch die Gemeinschaft oder Verwalter
- Klage auf Unterlassung
- Im Extremfall: Schadensersatzforderungen oder gerichtliche Beschlüsse gegen den Eigentümer
Ein rechtlich sicherer Weg führt daher immer über Transparenz, Antragstellung und Beschlussfassung – selbst bei scheinbar kleinen Veränderungen.
6. Umsetzung und praktische Abläufe
Schritt für Schritt zur baulichen Veränderung
Die erfolgreiche Umsetzung einer baulichen Maßnahme innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) erfordert ein geordnetes Verfahren. Wer ohne Planung oder Beschluss handelt, riskiert Konflikte und im schlimmsten Fall gerichtliche Auseinandersetzungen. Der folgende Ablauf hat sich in der Praxis bewährt:
1. Vorbereitung des Antrags
Bevor eine Maßnahme in der Eigentümerversammlung beschlossen werden kann, sollte der Antragsteller folgende Punkte klären:
- Beschreibung der Maßnahme: Was genau soll verändert werden?
- Lage und Umfang: Welcher Teil der Anlage ist betroffen (Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum)?
- Technische Unterlagen: Pläne, Skizzen, Fotos, Kostenvoranschläge
- Bau- und genehmigungsrechtliche Fragen: Ist eine Baugenehmigung nötig?
- Betroffenheit Dritter: Werden andere Eigentümer beeinträchtigt?
Je klarer der Antrag formuliert und belegt ist, desto größer sind die Chancen auf Zustimmung.
2. Ankündigung und Einreichung beim Verwalter
Der Antrag muss beim Verwalter oder Verwaltungsbeirat rechtzeitig vor der Eigentümerversammlung eingereicht werden, idealerweise schriftlich. Damit die Maßnahme auch wirksam beschlossen werden kann, muss sie ordnungsgemäß in die Tagesordnung aufgenommen werden – eine spontane Abstimmung in der Versammlung ist rechtlich nicht zulässig (§ 23 Abs. 2 WEG).
3. Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung
In der Versammlung wird über den Antrag diskutiert und abgestimmt. Dabei ist wichtig:
- Mehrheitsverhältnisse beachten (einfache Mehrheit, ggf. Zustimmung Betroffener)
- Mögliche Änderungen oder Auflagen durch die Versammlung zulassen
- Kostentragung klären (wer zahlt, wie wird abgerechnet?)
Der Verwalter sollte den Beschluss formulierungssicher protokollieren – mit klarer Regelung zur Ausführung und Duldung.
4. Durchführung der Maßnahme
Nach positivem Beschluss darf mit der Umsetzung begonnen werden – allerdings nicht vorher! Dabei ist zu beachten:
- Maßnahmen müssen dem Beschluss entsprechen – keine eigenmächtigen Änderungen!
- Fachgerechte Ausführung (ggf. Nachweis durch Handwerkerrechnungen oder Abnahmen)
- Zugänglichkeit und Sicherheit während der Bauarbeiten
5. Ablehnung oder Verzögerung – was tun?
Wenn die Eigentümerversammlung den Antrag ablehnt, gibt es folgende Optionen:
- Neufassung oder Nachbesserung des Antrags und erneuter Versuch
- Anrufung des Gerichts: In besonderen Fällen kann ein Eigentümer auf Zustimmung klagen (z. B. bei privilegierten Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG)
- Schlichtung durch Verwalter oder externe Moderation: Insbesondere bei persönlichen Konflikten
Bei privilegierten Maßnahmen (z. B. Wallbox oder barrierefreier Zugang) kann die Ablehnung rechtswidrig sein – in diesem Fall lohnt sich eine juristische Prüfung.
7. Rechtsfolgen bei rechtswidrigen baulichen Veränderungen
Was passiert, wenn ohne Beschluss gebaut wird?
Auch wenn manche baulichen Veränderungen auf den ersten Blick harmlos erscheinen, kann eine eigenmächtige Umsetzung schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Denn Eingriffe in das gemeinschaftliche Eigentum ohne vorherige Zustimmung oder Beschlussfassung sind rechtswidrig – und in vielen Fällen anfechtbar oder rückgängig zu machen.
1. Rückbauverpflichtung
Die häufigste Rechtsfolge ist die Verpflichtung zum Rückbau auf eigene Kosten. Dies kann durch die Eigentümergemeinschaft oder einzelne betroffene Eigentümer gerichtlich durchgesetzt werden.
Beispiele:
- Eine Markise wurde ohne Beschluss an der Fassade installiert
- Eine nicht genehmigte Wand wurde im gemeinschaftlichen Keller gezogen
- Eine Wallbox wurde montiert, ohne den Stromanschluss gemeinschaftlich abzustimmen
In solchen Fällen kann die Gemeinschaft verlangen, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird – unabhängig davon, wie hoch die Kosten sind oder ob bereits erheblicher Aufwand betrieben wurde.
2. Unterlassung und Klage
Wird die Maßnahme noch nicht ausgeführt, kann die Gemeinschaft oder ein einzelner Eigentümer eine Unterlassungsklage einreichen. Die Gerichte können im Eilverfahren (per einstweiliger Verfügung) eine Baumaßnahme stoppen oder eine Duldung untersagen.
Wird ein Beschluss über eine bauliche Veränderung rechtswidrig gefasst – etwa ohne erforderliche Mehrheit oder unter Missachtung der Betroffenen –, kann dieser binnen eines Monats nach Beschlussfassung angefochten werden (§ 44 WEG).
3. Haftung und Schadensersatz
Kommt es infolge einer unzulässigen Maßnahme zu einem Sachschaden oder einer Beeinträchtigung für andere Eigentümer, haftet der Verursacher unter Umständen für:
- Sachschäden (z. B. Wasser- oder Putzschäden durch unsachgemäßen Einbau)
- Nutzungsausfall (z. B. blockierte Wege, entwertete Stellplätze)
- Folgekosten für Gemeinschaft (z. B. Kosten für Rückbau, Baureinigung)
Die Haftung kann auch greifen, wenn der Eigentümer sich zwar bemüht hat, aber gegen formale Regeln des WEG verstoßen hat.
4. Konflikte und Dauerstreitigkeiten
Neben juristischen Folgen droht oft ein erheblicher Verlust an Vertrauen und Kooperationsbereitschaft in der Eigentümergemeinschaft. Wiederholte Verstöße oder demonstratives Ignorieren gemeinschaftlicher Entscheidungen können zu Dauerstreitigkeiten führen – mit Folgen für:
- zukünftige Abstimmungen
- die Kostenverteilung in der Gemeinschaft
- die Bewertung und Vermarktung der Immobilie
8. Praxisbeispiele & häufige Streitpunkte
In der Praxis gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, bei denen sich Wohnungseigentümer häufig uneinig sind – sei es wegen rechtlicher Unsicherheit, abweichender Interessen oder mangelnder Kommunikation. Im Folgenden werden typische Beispiele vorgestellt, jeweils mit einer kurzen Einschätzung zur rechtlichen Bewertung und dem Konfliktpotenzial.
🏗️ Balkonanbau
Situation: Ein Eigentümer möchte an seiner Wohnung einen Balkon anbauen, wo bisher keiner war.
Rechtliche Bewertung:
- Eingriff in Fassade, Statik und Erscheinungsbild → betrifft Gemeinschaftseigentum
- Zustimmung der Eigentümergemeinschaft erforderlich
- In der Regel hohe bauliche und finanzielle Auswirkungen
Streitpunkt:
- Wer trägt die Kosten?
- Beeinträchtigung des Lichteinfalls für darunterliegende Wohnungen?
- Einheitliches Erscheinungsbild der Wohnanlage?
🛰️ Satellitenschüssel an der Fassade
Situation: Ein Eigentümer bringt eine Satellitenschüssel an der Außenwand an, um ausländisches Fernsehen zu empfangen.
Rechtliche Bewertung:
- Die Fassade gehört zum Gemeinschaftseigentum → zustimmungspflichtig
- Antennenfreiheit (Grundrecht) kann im Einzelfall eine Rolle spielen, aber nur bei fehlender technischer Alternativen (z. B. kein Kabelanschluss)
Streitpunkt:
- Optische Beeinträchtigung des Gebäudes
- Gefahr von Wildwuchs, wenn mehrere Eigentümer nachziehen
🚗 Wallbox für Elektroauto
Situation: Ein Eigentümer beantragt, auf seinem Stellplatz eine private Ladestation (Wallbox) anzubringen.
Rechtliche Bewertung:
- § 20 Abs. 2 WEG: privilegierte Maßnahme → Rechtsanspruch besteht
- Zustimmung der Gemeinschaft nicht erforderlich, aber Anzeige und ordnungsgemäße Durchführung sind Pflicht
- Anschluss an das Gemeinschaftsnetz ist zustimmungsbedürftig
Streitpunkt:
- Technische Sicherheit
- Lastverteilung im Stromnetz
- Kostenbeteiligung bei Infrastruktur (z. B. Zuleitung, Umbau Stromanschluss)
🛗 Einbau eines Treppenlifts
Situation: Eine ältere Eigentümerin möchte auf eigene Kosten einen Treppenlift im Hausflur installieren lassen.
Rechtliche Bewertung:
- Maßnahme zur Barrierefreiheit → privilegiert nach § 20 Abs. 2 WEG
- Gemeinschaft muss sie grundsätzlich dulden
- Lift darf die Nutzung des Treppenhauses für andere nicht erheblich beeinträchtigen
Streitpunkt:
- Einschränkung der Durchgangsbreite
- Wartungs- und Folgekosten
- Optische Veränderung im Eingangsbereich
🪴 Nutzung von Gemeinschaftsflächen
Situation: Ein Eigentümer richtet auf dem gemeinschaftlichen Grundstück eine private Sitzecke mit Gartenmöbeln und Grillstelle ein.
Rechtliche Bewertung:
- Änderung der Nutzungsart → bauliche Veränderung
- Zustimmung der Gemeinschaft erforderlich
Streitpunkt:
- Ungleichbehandlung: „Sondernutzung durch die Hintertür“?
- Lärm- und Geruchsbelästigung
- Abgrenzung von gemeinschaftlicher und individueller Nutzung
Unterschiede bei Alt- und Neubauten
Altbauten: In älteren Gebäuden sind bauliche Veränderungen oft technisch aufwändiger und rechtlich komplexer. Zudem besteht häufig ein stärkeres Schutzinteresse an bestehenden Strukturen.
Neubauten: Hier finden sich oft moderne Teilungserklärungen mit klarer Regelung zu baulichen Änderungen. Der Spielraum für Einzelmaßnahmen ist oft größer – aber auch durchgestylt und damit empfindlicher gegenüber optischen Abweichungen.
Praxistipp: Streit vermeiden durch Kommunikation
- Frühzeitig informieren und einbinden – nicht erst zur Versammlung!
- Technische Planung beilegen, ideal mit Zeichnungen oder Simulationen
- Musterbeschlüsse nutzen, um Unsicherheiten zu vermeiden
- Beratung durch Fachleute (Verwalter, Architekt, ggf. Anwalt)
9. Fazit
Bauliche Veränderungen sind für Wohnungseigentümergemeinschaften heute alltägliche Realität: Von der Ladesäule über barrierefreie Zugänge bis zum Balkon oder neuen Fassadenanstrich – überall gibt es Anpassungsbedarf an moderne Wohnbedürfnisse. Doch sobald das Gemeinschaftseigentum betroffen ist, greifen besondere rechtliche Regeln. Die WEG-Reform 2020 hat vieles vereinfacht, die Anforderungen an Sorgfalt, Kommunikation und Beschlussfassung bleiben jedoch hoch.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick
✅ Was gilt als bauliche Veränderung?
Alle Maßnahmen, die das gemeinschaftliche Eigentum dauerhaft umgestalten, nutzen oder optisch verändern.
✅ Welche Mehrheit ist erforderlich?
In der Regel genügt die einfache Mehrheit – nur in Ausnahmefällen ist die Zustimmung aller betroffenen Eigentümer nötig.
✅ Was darf man alleine entscheiden?
Nur Veränderungen am Sondereigentum ohne Außenwirkung oder Beeinträchtigung anderer – alles andere braucht einen Beschluss.
✅ Welche Maßnahmen sind privilegiert?
Barrierefreiheit, Elektromobilität, Einbruchschutz und schneller Internetzugang – hier besteht ein Anspruch auf Zustimmung.
✅ Was droht bei Verstößen?
Rückbau, Unterlassungsklagen und ggf. Schadensersatz – eigenmächtiges Handeln zahlt sich selten aus.