Bestellerprinzip

1. Einleitung

Das sogenannte Bestellerprinzip hat die Immobilienbranche in Deutschland nachhaltig verändert – insbesondere den Markt für Mietwohnungen. Es handelt sich dabei um eine gesetzliche Regelung, die bestimmt, wer die Kosten für die Dienstleistungen eines Maklers zu tragen hat. Vor der Einführung dieses Prinzips war es gängige Praxis, dass Wohnungssuchende auch dann die Maklerprovision zahlen mussten, wenn sie den Makler gar nicht selbst beauftragt hatten. Das führte vielfach zu Unmut, denn für viele Mieter bedeutete das eine zusätzliche finanzielle Belastung – oft mehrere Monatsmieten, ohne dass sie selbst einen Auftrag erteilt hatten.

Mit dem Bestellerprinzip wollte der Gesetzgeber dem entgegenwirken und für mehr Transparenz und Fairness im Wohnungsmarkt sorgen. Seit Juni 2015 gilt daher bei der Vermietung von Wohnraum der Grundsatz: „Wer bestellt, der bezahlt.“ Vermieter, die einen Makler einschalten, müssen diesen auch bezahlen – nicht mehr die Mieter, wie es früher üblich war.

Doch das Thema ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Es wirft rechtliche, wirtschaftliche und praktische Fragen auf, die sowohl private Mietparteien als auch Maklerunternehmen und Investoren betreffen. Außerdem wird in Politik und Gesellschaft immer wieder darüber diskutiert, ob das Bestellerprinzip auch auf den Kauf von Immobilien ausgeweitet werden sollte.

In diesem Artikel beleuchten wir umfassend die rechtlichen Grundlagen, die praktische Anwendung und die Folgen des Bestellerprinzips – mit dem Ziel, ein klares und fundiertes Verständnis für alle Beteiligten im Immobilienmarkt zu schaffen.

2. Rechtliche Grundlagen

Einführung durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz

Das Bestellerprinzip wurde im Zuge des Mietrechtsnovellierungsgesetzes eingeführt, das am 1. Juni 2015 in Kraft trat. Ziel des Gesetzgebers war es, den Mietwohnungsmarkt gerechter zu gestalten und Wohnungssuchende vor unverhältnismäßig hohen Maklerkosten zu schützen.

Gesetzliche Verankerung im BGB

Die rechtliche Grundlage für das Bestellerprinzip findet sich im § 2 Absatz 1a des Wohnungsvermittlungsgesetzes (WoVermRG). Dort heißt es sinngemäß:

Ein Makler darf vom Wohnungssuchenden nur dann eine Provision verlangen, wenn er ausschließlich aufgrund eines mit dem Wohnungssuchenden geschlossenen Maklervertrags tätig wurde.

In der Praxis bedeutet das: Hat ein Vermieter den Makler zuerst beauftragt, darf dieser keine Provision vom Mieter verlangen – unabhängig davon, ob der Mieter später die Wohnung anmietet.

Ergänzend ist auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) relevant, insbesondere die Regelungen zu Maklerverträgen (§§ 652 ff. BGB). Diese allgemeinen Vorschriften gelten weiterhin, jedoch mit Einschränkungen durch das spezielle Mietrecht.

Geltungsbereich: Nur Wohnraummietverhältnisse

Das Bestellerprinzip gilt ausschließlich für die Vermietung von Wohnraum, nicht aber für:

  • Gewerbeimmobilien (z. B. Büros, Ladenflächen)
  • Verkauf von Immobilien (Wohnungen, Häuser, Grundstücke)
  • Staffel- oder Indexmietverträge mit gewerblichem Charakter
  • Zwischenmiete oder Untermiete in Sonderfällen

Umgehungsverbot und Sanktionen

Das Gesetz enthält auch ein Umgehungsverbot: Makler und Vermieter dürfen nicht versuchen, das Bestellerprinzip durch Tricks zu umgehen – etwa durch Scheinaufträge oder verdeckte Kostenerstattungen. Verstöße können abgemahnt werden oder sogar zu Bußgeldern führen.

Beispiel: Ein Vermieter versucht, die Maklerkosten über eine höhere Miete oder zusätzliche „Servicepauschalen“ auf den Mieter abzuwälzen. Solche Konstruktionen können als unzulässige Umgehung gelten und rechtlich angreifbar sein.

3. Anwendungsbereich

Das Bestellerprinzip betrifft nicht alle Immobiliengeschäfte gleichermaßen. Entscheidend ist die Art des Objekts und der Vertragsform. Dieser Abschnitt klärt, wann das Prinzip greift – und wann nicht.

3.1 Geltung bei Mietwohnungen

Das Bestellerprinzip gilt in Deutschland ausschließlich für die Vermietung von Wohnraum. In der Praxis bedeutet das:

  • Wird ein Makler vom Vermieter beauftragt, eine Mietwohnung zu vermitteln, muss der Vermieter die Maklercourtage zahlen.
  • Nur wenn der Wohnungssuchende den Makler nachweislich zuerst und exklusiv mit der Wohnungssuche beauftragt hat, darf eine Courtage vom Mieter verlangt werden – das ist jedoch in der Realität selten der Fall.

Die Regelung ist damit verbraucherorientiert und schützt besonders private Mieter, die oft nicht in einer wirtschaftlich gleich starken Position wie Vermieter oder Makler stehen.

3.2 Keine Anwendung beim Immobilienkauf

Beim Kauf oder Verkauf von Immobilien – etwa Eigentumswohnungen, Häusern oder Grundstücken – findet das Bestellerprinzip keine Anwendung. Stattdessen gilt hier weiterhin die freie Vereinbarung gemäß § 652 BGB, d. h.:

  • Maklerprovisionen können frei ausgehandelt werden.
  • In der Praxis ist es üblich, dass die Provision geteilt oder vollständig vom Käufer getragen wird – je nach Region, Markt und Anbieter.

Allerdings hat sich hier durch das Gesetz zur Teilung der Maklerkosten bei Wohnimmobilienkäufen vom 23. Dezember 2020 etwas verändert:

  • Wenn der Makler sowohl für Käufer als auch für Verkäufer tätig ist, müssen beide Parteien die Provision zu gleichen Teilen tragen, sofern sie Verbraucher sind.
  • Diese Regelung gilt nur für private Käufer und Verkäufer von selbstgenutztem Wohnraum, nicht für gewerbliche Käufer oder Kapitalanleger.

3.3 Gewerbeimmobilien: Kein Bestellerprinzip

Auch bei der Vermietung von Gewerbeimmobilien – wie Büroflächen, Lagerhallen oder Einzelhandelsobjekten – gilt das Bestellerprinzip nicht. In diesem Bereich bestehen keine gesetzlichen Vorgaben, und die Maklervergütung wird frei zwischen den Parteien vereinbart.

Das liegt unter anderem daran, dass man davon ausgeht, dass gewerbliche Mieter und Vermieter rechtlich versierter und weniger schutzbedürftig sind als private Wohnungssuchende.

4. Auswirkungen auf den Markt

Die Einführung des Bestellerprinzips im Jahr 2015 hatte spürbare Folgen für den Immobilienmarkt in Deutschland – insbesondere für das Verhältnis zwischen Mietern, Vermietern und Immobilienmaklern. Die Auswirkungen lassen sich in drei zentralen Bereichen betrachten:

4.1 Auswirkungen auf Mieter

Für Mieter war das Bestellerprinzip eine finanzielle Entlastung. Vor 2015 mussten Wohnungssuchende häufig bis zu zwei Nettokaltmieten zuzüglich Mehrwertsteuer als Maklercourtage zahlen – oft, obwohl sie keinen Einfluss auf die Beauftragung des Maklers hatten.

Seit der Einführung gilt:

  • In den meisten Fällen entfällt die Maklerprovision für Mieter komplett.
  • Die Kostenbelastung beim Umzug sinkt, was insbesondere einkommensschwächeren Haushalten zugutekommt.
  • Mietinteressenten treten heute selbstbestimmter und informierter am Markt auf.

Allerdings berichten Wohnungssuchende in manchen Regionen, dass die Zahl der Maklerangebote gesunken ist und sich die Transparenz auf dem Markt teilweise verringert hat.

4.2 Auswirkungen auf Vermieter

Vermieter tragen nun in der Regel die Maklerkosten, wenn sie professionelle Unterstützung bei der Mietersuche in Anspruch nehmen. Für viele private Kleinvermieter stellte dies eine neue Kostenposition dar, die vorher auf die Mieter abgewälzt wurde.

Reaktionen der Vermieter:

  • Einige verzichten auf Maklerdienste und versuchen, ihre Wohnungen selbst zu vermarkten.
  • Andere kalkulieren die Maklerkosten indirekt in die Miete ein – was allerdings nur begrenzt möglich ist, insbesondere in Regionen mit Mietpreisbremsen oder regulierten Märkten.
  • In Ballungsräumen mit hoher Nachfrage bleibt der Einsatz eines Maklers jedoch oft attraktiv, um seriöse und zahlungskräftige Mieter auszuwählen.

4.3 Auswirkungen auf Makler

Für Immobilienmakler brachte das Bestellerprinzip einen spürbaren Einschnitt in das Geschäftsmodell. Die bisher gängige Praxis, doppelseitig Provisionen zu erheben – insbesondere zulasten der Mieter – war nun nicht mehr zulässig.

Folgen für Makler:

  • Rückgang der Aufträge im Mietbereich, insbesondere bei Wohnungsvermietungen im unteren und mittleren Preissegment.
  • Anpassung der Geschäftsstrategie hin zum Fokus auf Verkäufe, Gewerbeimmobilien oder exklusive Mandate.
  • Stärkere Professionalisierung: Makler müssen heute überzeugender argumentieren, um von Vermietern beauftragt zu werden und ihr Honorar zu rechtfertigen.

4.4 Statistische Entwicklungen

Laut Untersuchungen von Branchenverbänden und Verbraucherzentralen:

  • Ist die Zahl der Mietangebote über Makler leicht zurückgegangen.
  • Haben sich Maklercourtage und Vertragsbedingungen stärker differenziert, teils mit einem Schwenk hin zu pauschalen Servicepaketen oder alternativen Vergütungsmodellen.

5. Vor- und Nachteile des Bestellerprinzips

Das Bestellerprinzip hat sowohl Befürworter als auch Kritiker. Seine Einführung hat das Kräfteverhältnis auf dem Mietmarkt verändert und unterschiedliche Interessenlagen offengelegt. Im Folgenden werden die wichtigsten Vorteile und Nachteile aus Sicht der verschiedenen Beteiligten beleuchtet.

5.1 Vorteile

Für Mieter

  • Kostenerleichterung: In den meisten Fällen entfällt die Maklercourtage für Wohnungssuchende vollständig.
  • Transparenz: Wer einen Makler beauftragt, weiß künftig auch, dass er für dessen Leistungen zahlen muss.
  • Stärkere Position: Mieter treten selbstbewusster auf dem Markt auf und können ihre Rechte leichter durchsetzen.

Für den Wohnungsmarkt insgesamt

  • Fairere Verteilung der Kosten: Das Verursacherprinzip wird konsequenter umgesetzt – wer einen Makler bestellt, bezahlt ihn.
  • Stärkung von Direktvermittlungen: Private Vermieter und Mieter treten häufiger ohne Vermittler miteinander in Kontakt, was bürokratische Hürden reduzieren kann.

5.2 Nachteile

Für Vermieter

  • Zusätzliche Kostenbelastung: Vermieter müssen Maklerkosten tragen, die zuvor häufig auf Mieter umgelegt wurden.
  • Geringere Nutzung von Maklern: Aus Kostengründen verzichten viele auf professionelle Unterstützung – was zu Fehlentscheidungen bei der Mieterauswahl führen kann.
  • Zeit- und Arbeitsaufwand: Selbstvermarktung erfordert Know-how, Zeit und rechtliches Verständnis.

Für Makler

  • Rückgang der Aufträge im Mietsegment – insbesondere bei kleineren und mittleren Wohnungen.
  • Steigender Preisdruck: Makler müssen ihre Dienstleistungen stärker rechtfertigen, was zu Preisanpassungen oder Honorarmodellen auf Erfolgsbasis führt.
  • Komplexere Auftragslage: Das Einholen eines klar dokumentierten Alleinauftrags wird wichtiger und formeller.

5.3 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Bewertung

Wirtschaftlich betrachtet hat das Bestellerprinzip die Marktmechanismen teilweise verändert, insbesondere im städtischen Mietwohnungssektor. Die gesetzlich verordnete Kostenverlagerung führte zu einer besseren Planbarkeit für Mieter, aber auch zu einer teils reduzierten Marktaktivität für Makler.

Gesellschaftlich gesehen gilt die Regelung überwiegend als sozial gerecht, da sie einkommensschwache Haushalte entlastet und den Zugang zum Wohnungsmarkt erleichtert – ein zentrales Ziel der Mietrechtspolitik in angespannten Märkten.

6. Ausblick und Diskussionen über Reformen

Seit seiner Einführung im Jahr 2015 bleibt das Bestellerprinzip Gegenstand politischer Debatten und juristischer Diskussionen. Insbesondere die Frage, ob das Prinzip auch auf den Immobilienkauf ausgeweitet werden sollte, sorgt immer wieder für öffentliche Aufmerksamkeit. Auch die langfristige Wirkung auf den Mietmarkt wird von verschiedenen Seiten unterschiedlich bewertet.

6.1 Debatte um Ausweitung auf Kaufimmobilien

Ein zentraler Streitpunkt ist die Maklerprovision beim Kauf von Immobilien. In vielen Regionen Deutschlands zahlt weiterhin allein der Käufer die Maklerprovision – auch wenn der Makler in erster Linie für den Verkäufer tätig war. Kritiker sehen darin eine Asymmetrie und fordern die Einführung eines echten Bestellerprinzips auch für den Kauf.

Bisherige Reformansätze:

  • Gesetz zur Teilung der Maklerkosten (2020): Bei selbstgenutzten Wohnimmobilien müssen Käufer und Verkäufer die Provision hälftig tragen, wenn der Makler für beide Seiten tätig ist.
  • Forderungen aus der Politik und von Verbraucherschutzverbänden gehen weiter: Sie plädieren für ein echtes Bestellerprinzip auch beim Kauf, das eine klare Auftraggeberrolle und Kostenverantwortung schafft.

6.2 Argumente für eine Ausweitung

  • Stärkung der Transparenz und Fairness auch beim Immobilienkauf
  • Entlastung von Kaufinteressenten, die bereits hohe Kaufnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notar, etc.) tragen
  • Anpassung an das Leitbild des Verbraucherschutzes, das in anderen Bereichen bereits Standard ist

6.3 Argumente gegen eine Ausweitung

  • Eingriff in die Vertragsfreiheit: Kritiker sehen die Gefahr, dass private und gewerbliche Parteien weniger flexibel agieren können.
  • Marktverzerrung: Verkäufer könnten Kaufpreise indirekt anpassen, um die Maklerkosten zu kompensieren.
  • Komplexere Nachweisführung: Die klare Zuweisung der Beauftragung (wie beim Mietmarkt) ist beim Verkauf oft schwieriger zu dokumentieren.

6.4 Europäischer Vergleich

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass es keine einheitliche Lösung gibt:

  • In Österreich oder Spanien zahlen oft beide Parteien Provision – ähnlich dem deutschen Modell nach 2020.
  • In den Niederlanden oder Großbritannien zahlt meist nur der Verkäufer.
  • In Frankreich ist die Verteilung Verhandlungssache, aber es gibt stärkere staatliche Vorgaben zu Höchstprovisionen.

Diese Unterschiede zeigen, dass es Spielraum für nationale Gestaltung gibt – abhängig von Marktstruktur, Rechtskultur und politischer Zielsetzung.

7. Fazit

Das Bestellerprinzip hat sich seit seiner Einführung im Jahr 2015 als ein relevanter Eingriff in die Struktur des Mietmarktes etabliert. Es verfolgt das Ziel, Kosten gerechter zu verteilen und Verbraucher – insbesondere Mieter – zu schützen, indem es das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ gesetzlich verankert. Für Wohnungssuchende brachte die Regelung eine spürbare Entlastung, während Vermieter und Makler gezwungen wurden, ihre Strategien und Geschäftsmodelle anzupassen.

Trotz der weitgehenden Akzeptanz des Prinzips im Mietbereich ist die Debatte um seine Ausweitung auf den Immobilienkauf nicht abgeschlossen. Mit dem Gesetz zur hälftigen Teilung der Maklerkosten wurde 2020 ein Kompromissmodell eingeführt, das jedoch vielen nicht weit genug geht. Gleichzeitig gibt es Bedenken, ob eine vollumfängliche Anwendung des Bestellerprinzips im Kaufbereich rechtlich praktikabel und wirtschaftlich sinnvoll wäre.

Langfristig wird die Zukunft des Bestellerprinzips von mehreren Faktoren abhängen:

  • der weiteren Entwicklung des Miet- und Kaufmarkts,
  • dem politischen Willen zur Regulierung,
  • und dem Verhalten der Marktakteure selbst.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass das Bestellerprinzip mehr ist als nur eine juristische Regelung – es ist ein Instrument sozialer Wohnpolitik, das zentrale Fragen von Fairness, Transparenz und Marktzugang berührt.

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