Tiere (Nachbarschaftsrecht)

1. Einleitung

Tiere gehören für viele Menschen zur Familie – sei es der verspielte Hund, die verschmuste Katze oder ein leises Kaninchen im Kinderzimmer. In einem dicht besiedelten Umfeld, wie es bei Wohnanlagen und Mietwohnungen häufig der Fall ist, kann die Tierhaltung jedoch schnell zum Streitfall werden. Besonders in Immobilien, in denen viele Parteien auf engem Raum zusammenleben, kollidieren persönliche Interessen, Lebensstile und Vorstellungen vom „guten Miteinander“ regelmäßig – insbesondere dann, wenn Lärm, Gerüche oder Sicherheitsbedenken ins Spiel kommen.

Ob es um Hundegebell in der Nacht, freilaufende Katzen auf Nachbars Balkon oder eine Wohnung voller Meerschweinchen geht – immer wieder stehen Gerichte vor der Aufgabe, zwischen Tierliebe und Nachbarschaftsschutz abzuwägen. Gleichzeitig gibt es kein einheitliches „Tierhaltungsrecht“, sondern eine Vielzahl von Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Miet- und WEG-Recht sowie aus landesrechtlichen Nachbarschaftsgesetzen.

Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen und typischen Konfliktfelder rund um die Tierhaltung im Wohnumfeld – mit einem besonderen Fokus auf Immobilien, Eigentumswohnungen und Mietverhältnisse. Er zeigt, welche Rechte und Pflichten Tierhalter, Nachbarn, Mieter und Eigentümer haben, und gibt praxisnahe Hinweise zur Konfliktvermeidung.

2. Grundlagen: Tierhaltung und das Nachbarschaftsrecht

Was ist Nachbarschaftsrecht?

Das Nachbarschaftsrecht umfasst alle Regelungen, die das Verhältnis zwischen unmittelbaren Grundstücksnachbarn betreffen. Es regelt, welche Rechte und Pflichten Eigentümer, Mieter und sonstige Nutzungsberechtigte im Hinblick auf das Verhalten auf ihrem Grundstück haben, wenn dieses Verhalten Auswirkungen auf benachbarte Grundstücke hat.

Dabei wird grundsätzlich zwischen bundesrechtlichen Vorschriften (z. B. §§ 903–906 BGB) und landesrechtlichen Nachbarrechtsgesetzen unterschieden, die bestimmte Details – etwa zu Grenzbepflanzungen oder Einfriedungen – konkretisieren. Die Tierhaltung wird vor allem im zivilrechtlichen Sinne durch allgemeine Regeln über Eigentum, Besitz, Gebrauch und Störungen geregelt.

Wo ist Tierhaltung gesetzlich geregelt?

Es gibt kein eigenständiges „Tierhaltungsrecht“, sondern verschiedene Rechtsbereiche greifen ineinander:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
    • § 903 BGB (Befugnisse des Eigentümers)
    • § 906 BGB (Zuführung unwägbarer Stoffe – analog auch auf Geräusche oder Gerüche durch Tiere anwendbar)
    • §§ 1004, 823 BGB (Abwehr- und Schadensersatzansprüche bei Beeinträchtigungen)
  • Mietrecht (§§ 535 ff. BGB):
    • Regelungen zur Vertragsfreiheit, Gebrauchsüberlassung und Beschränkung durch Hausordnung
  • Wohnungseigentumsgesetz (WEG):
    • §§ 13, 14 WEG (Zulässige Nutzung des Sondereigentums und Pflicht zur Rücksichtnahme)
    • Bedeutung von Gemeinschaftsordnungen und Beschlüssen der Eigentümerversammlung
  • Landesnachbarrechtsgesetze (je nach Bundesland unterschiedlich):
    • Regeln nicht unmittelbar Tierhaltung, beeinflussen aber das Zusammenleben im Wohnumfeld (z. B. Tierställe an der Grundstücksgrenze)
  • Tierschutzgesetz (Tierhaltung muss artgerecht sein – Auswirkungen auch im Zivilrecht)

3. Tierhaltung in Mietwohnungen

Die Tierhaltung in Mietwohnungen ist ein klassisches Spannungsfeld zwischen dem Recht des Mieters auf freie Entfaltung und dem berechtigten Interesse des Vermieters sowie der Nachbarn an einem störungsfreien Wohnumfeld. Ob Tiere in einer Mietwohnung gehalten werden dürfen, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab – insbesondere von der Art des Tieres, dem Umfang der Haltung und den mietvertraglichen Regelungen.

Zustimmung des Vermieters – wann ist sie erforderlich?

Grundsätzlich darf ein Mieter die Mietwohnung nur im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs nutzen. Die Tierhaltung kann Teil dieses Gebrauchs sein – muss es aber nicht automatisch. Deshalb wird zwischen zustimmungsfreier Kleintierhaltung und zustimmungspflichtiger Haltung größerer oder potenziell störender Tiere unterschieden.

Zustimmungsfrei (i. d. R.):

  • Kleintiere wie Hamster, Kaninchen, Wellensittiche, Meerschweinchen, Zierfische
  • Voraussetzung: artgerechte Haltung, keine übermäßige Anzahl, keine Belästigung

Zustimmungspflichtig:

  • Hunde, Katzen
  • Exotische Tiere (Schlangen, Echsen, Spinnen etc.)
  • Nutztiere (z. B. Hühner, bei entsprechender Umgebung)

Unzulässig oder problematisch:

  • Tiere, die die Sicherheit anderer gefährden (z. B. Kampfhunde ohne Genehmigung)
  • Tierhaltung in hygienisch bedenklicher Form oder übermäßiger Zahl

Mietvertragliche Regelungen

Viele Mietverträge enthalten spezielle Klauseln zur Tierhaltung, etwa:

  • generelles Verbot der Tierhaltung
  • Einzelfallentscheidungen
  • Erlaubnisvorbehalt: Tierhaltung ist erlaubt, aber nur mit Zustimmung des Vermieters

Wichtig: Generelle Verbote der Haustierhaltung sind nicht immer wirksam. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen betont, dass Klauseln, die pauschal jede Tierhaltung untersagen, unwirksam sein können, da sie den Mieter unangemessen benachteiligen (z. B. BGH, Urt. v. 20.03.2013, Az. VIII ZR 168/12).

Gerichtliche Einzelfallentscheidungen

Die Rechtsprechung betont stets den Einzelfallcharakter: Ob ein Hund oder eine Katze in einer Mietwohnung gehalten werden darf, hängt davon ab, ob die Tierhaltung vertragsgemäß ist, andere Mieter beeinträchtigt oder die Wohnung über Gebühr beansprucht.

Beispiele:

  • Zulässig: Ruhiger, gut erzogener Hund in Einzelhaltung ohne Belästigung anderer Mieter
  • Unzulässig: Mehrere frei laufende Katzen, die regelmäßig in Nachbarwohnungen gelangen und dort Schäden verursachen

Rolle der Hausordnung

Auch die Hausordnung kann verbindliche Regelungen zur Tierhaltung enthalten, etwa:

  • Leinenpflicht im Treppenhaus
  • Verbot von Tierkot in Gemeinschaftsflächen
  • Ruhezeiten, in denen Lärm durch Tiere vermieden werden soll

Diese Regeln sind nur dann durchsetzbar, wenn sie vertraglich einbezogen wurden (z. B. als Anhang zum Mietvertrag) und nicht gegen geltendes Recht oder die Interessenabwägung der Gerichte verstoßen.

4. Tiere in Eigentumswohnungen (WEG-Recht)

Im Bereich von Eigentumswohnungen gelten andere Spielregeln als im klassischen Mietverhältnis. Eigentümer haben zwar grundsätzlich weitreichende Rechte, müssen sich aber im Rahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) auch an die Gemeinschaftsordnung sowie an mehrheitlich gefasste Beschlüsse halten. Besonders die Tierhaltung kann in diesem Spannungsfeld zu rechtlich und emotional aufgeladenen Konflikten führen.

Tierhaltung als Gebrauch des Sondereigentums

Gemäß § 13 Abs. 1 WEG darf jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum nach Belieben nutzen, solange dadurch weder das Gemeinschaftseigentum über das zulässige Maß hinaus belastet noch andere Eigentümer unbillig beeinträchtigt werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Die Haltung von Haustieren fällt grundsätzlich unter den zulässigen Gebrauch – insbesondere dann, wenn keine außergewöhnliche Belästigung oder Gefährdung für die Nachbarn vorliegt.

Beispiele zulässiger Tierhaltung im Sondereigentum:

  • Ein Hund in einer Einzelwohnung, der nicht regelmäßig bellt und keine Gemeinschaftsflächen beansprucht
  • Katzenhaltung in der Wohnung ohne Freigang über gemeinschaftliche Flächen

Problematisch wird es, wenn:

  • das Tier wiederholt Gemeinschaftseigentum nutzt oder verschmutzt (z. B. Flure, Gartenanlagen)
  • andere Eigentümer durch Lärm, Gerüche oder Angst konkret beeinträchtigt werden
  • eine artwidrige oder übermäßige Tierhaltung erfolgt (z. B. 12 Katzen auf engem Raum)

Bedeutung der Gemeinschaftsordnung und Beschlüsse

Die Gemeinschaftsordnung (GO) kann bestimmte Nutzungsarten ausdrücklich zulassen oder untersagen – auch die Tierhaltung. Solche Regelungen sind rechtlich wirksam, sofern sie nicht gegen höherrangiges Recht oder den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen.

Beispielhafte Regelungen in Gemeinschaftsordnungen:

  • generelles Verbot der Hundehaltung (kann zulässig sein, wenn sachlich begründet)
  • Zustimmungspflicht für größere Tiere
  • Einschränkungen bei Nutzung gemeinschaftlicher Außenflächen durch Haustiere

Auch Beschlüsse der Eigentümerversammlung können Tierhaltung regeln – etwa durch die Einführung einer Leinenpflicht oder durch die Festlegung von Ruhezeiten. Solche Beschlüsse müssen jedoch ordnungsgemäß zustande kommen und verhältnismäßig sein.

Rechte der Eigentümergemeinschaft

Wenn ein Tier zu einer erheblichen Störung führt, können andere Eigentümer:

  • die Unterlassung verlangen (§ 1004 BGB analog)
  • Beschlüsse herbeiführen, die auf Einschränkungen abzielen
  • in Extremfällen sogar gerichtlich gegen den Tierhalter vorgehen, z. B. bei nicht tiergerechter Haltung oder massiver Störung

Wichtig: Wie im Mietrecht gilt auch im WEG-Recht der Grundsatz der Einzelfallbewertung. Kein Tier kann allein wegen seiner Art pauschal verboten werden. Entscheidend ist, ob durch die Haltung eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer entsteht.

5. Typische Konflikte und deren rechtliche Bewertung

In der Praxis zeigen sich immer wieder ähnliche Streitpunkte, wenn es um Tiere im Wohnumfeld geht. Viele dieser Konflikte werden emotional geführt, lassen sich jedoch anhand klarer rechtlicher Kriterien bewerten – insbesondere durch die Frage: Liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor?

5.1 Lärmbelästigung durch Tiere

Der häufigste Streitfall betrifft Hundegebell. Grundsätzlich gehört gelegentliches Bellen zum normalen Verhalten eines Hundes – doch dauerhaftes oder anhaltendes Gebell kann als unzumutbar angesehen werden.

Rechtsprechung (Beispiele):

  • Zulässig: gelegentliches Bellen bei Postboten oder fremden Personen
  • Unzulässig: ständiges Bellen über mehrere Stunden am Tag oder in der Nacht (z. B. LG Berlin, Urt. v. 14.11.2005, Az. 67 S 265/05)

Gerichte bewerten die Situation im Einzelfall anhand von Uhrzeit, Häufigkeit, Dauer und Intensität. Auch andere Tiere wie Papageien, Hähne oder Gänse können unter diese Regelung fallen, wenn sie regelmäßig lautstark lärmen.

5.2 Geruchsbelästigung und Hygiene

Ein weiteres Konfliktfeld sind unangenehme Gerüche, etwa durch Tierurin, nasse Hunde oder unsauber gehaltene Tierkäfige. Auch hier kommt es darauf an, ob eine wesentliche, ortsunübliche und andauernde Beeinträchtigung vorliegt.

Beispiele:

  • Mehrere Katzen in einer kleinen Wohnung, deren Urin durch Wände oder Lüftungsschächte wahrnehmbar ist
  • Exkremente auf dem Balkon, die regelmäßig in darunterliegende Wohnungen tropfen
  • Nicht beseitigter Hundekot im Gemeinschaftsgarten

5.3 Übermäßige oder artwidrige Tierhaltung

Einzelfälle, in denen zu viele Tiere auf engem Raum gehalten werden, führen nicht nur zu Geruchs- und Lärmbelästigung, sondern werfen auch tierschutzrechtliche Fragen auf. Hier kann neben dem zivilrechtlichen auch das Ordnungsamt oder Veterinäramt eingreifen.

Beispiele:

  • 10 Katzen in einer kleinen Wohnung ohne ausreichende Belüftung
  • Freilaufende Kaninchen, die in Nachbars Gärten eindringen
  • Reptilienhaltung ohne geeignete Terrarien

5.4 Gefahren durch Tiere

Insbesondere bei gefährlichen Hunderassen oder exotischen Tieren (z. B. Giftschlangen, Spinnen) steht die Sicherheitsfrage im Vordergrund. Halter solcher Tiere müssen besondere Sicherungsmaßnahmen treffen – bei Nichtbeachtung droht ein Verbot der Haltung oder sogar Tierentzug.

Gerichtliche Bewertung:

  • Kein generelles Verbot „gefährlicher“ Tiere – aber erhöhtes Maß an Verantwortung
  • Pflicht zur Einhaltung behördlicher Auflagen (z. B. Maulkorb, Leinenpflicht, Haltungsanzeige)

6. Nachbarrechtliche Ansprüche

Wenn sich Tierhaltung negativ auf das nachbarschaftliche Miteinander auswirkt, können betroffene Nachbarn rechtliche Schritte einleiten. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bietet dafür mehrere Ansatzpunkte, insbesondere durch Abwehr- und Unterlassungsansprüche. Entscheidend ist dabei die Frage: Ist die Beeinträchtigung wesentlich im Sinne des Gesetzes?

6.1 Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB)

Der zentrale Anspruch ist der sogenannte Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch:

„Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.“ – § 1004 Abs. 1 BGB

Dieser Anspruch ist auf künftige Unterlassung gerichtet und kommt immer dann in Betracht, wenn z. B.:

  • ein Hund regelmäßig und übermäßig bellt
  • Tiere Gemeinschaftsflächen verschmutzen
  • Gerüche oder Geräusche in benachbarte Wohnungen dringen

Voraussetzung: Die Beeinträchtigung muss wesentlich sein (siehe § 906 BGB).

6.2 Wesentliche Beeinträchtigung (§ 906 BGB)

Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt von Ort, Art und Intensität der Störung ab. Maßstab ist, was ein verständiger Durchschnittsmensch unter den örtlichen Gegebenheiten hinnehmen muss.

Beispiele für wesentliche Beeinträchtigungen:

  • nächtliches, stundenlanges Hundegebell
  • intensive Geruchsbelästigung durch Tierhaltung
  • anhaltende Verunreinigung von Gemeinschaftsflächen

Keine wesentliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn:

  • das Tier sich weitgehend ruhig verhält
  • die Störung nur vereinzelt oder vorübergehend auftritt
  • ortsübliche Toleranzschwellen nicht überschritten werden

6.3 Schadensersatz (§§ 823 ff. BGB)

Führt die Tierhaltung zu einem konkreten Schaden – etwa beschädigtem Eigentum durch einen frei laufenden Hund oder ärztlichen Behandlungskosten nach einem Tierbiss – kann Schadensersatz verlangt werden.

Der Halter haftet dabei grundsätzlich verschuldensunabhängig für sein Tier nach § 833 BGB („Tierhalterhaftung“), es sei denn, es handelt sich um ein Nutztier und der Halter kann sich exkulpieren (bei Haustieren greift diese Ausnahme in der Regel nicht).

6.4 Beweispflicht und Dokumentation

Wer sich auf eine wesentliche Beeinträchtigung beruft, trägt die Beweislast. Um Rechte wirksam durchzusetzen, ist es sinnvoll, Störungen zu dokumentieren:

  • Lärmprotokolle mit Uhrzeit und Dauer
  • Zeugenberichte (z. B. andere Nachbarn)
  • Foto- oder Videoaufnahmen (nur im zulässigen Rahmen)
  • ggf. Einschaltung eines Schiedsamts oder einer Mediation vor Klage

7. Besondere Fallgruppen

Nicht jede Tierhaltung ist gleich zu behandeln. In bestimmten Fällen gelten Sonderregelungen oder erhöhte Schutzmechanismen, insbesondere wenn Tiere eine soziale Funktion erfüllen oder atypische Umstände vorliegen. Die rechtliche Bewertung ist hier besonders differenziert vorzunehmen.

7.1 Blindenführhunde und Assistenztiere

Blindenführhunde und andere Assistenztiere (z. B. für Menschen mit Epilepsie, Diabetes oder psychischen Erkrankungen) nehmen eine Sonderrolle ein. Ihre Haltung kann nicht pauschal verboten werden – auch nicht durch Mietvertrag oder Eigentümerbeschluss.

Rechtsprechung:

  • Der BGH (Beschl. v. 22.01.2013, Az. V ZR 102/12) stellte klar: Die Haltung eines Blindenführhundes ist grundsätzlich zulässig, selbst wenn die Gemeinschaftsordnung ein generelles Hundeverbot vorsieht.
  • Der Schutz aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Artikel 3 Abs. 3 GG (Diskriminierungsverbot wegen Behinderung) stärkt die Rechtsposition des Halters.

Praxishinweis: Vermieter oder Eigentümergemeinschaften dürfen nur in Ausnahmefällen Einspruch erheben, z. B. bei konkreter Gefährdung anderer Bewohner oder objektiver Ungeeignetheit des Tieres.

7.2 Haltung von Nutztieren im Wohngebiet

Die Haltung von Nutztieren wie Hühnern, Ziegen oder Schweinen in Wohngebieten ist rechtlich umstritten. Entscheidend sind dabei:

  • die Art der Bebauung (reines Wohngebiet, Mischgebiet, Außenbereich)
  • die Zahl der Tiere
  • die Einwirkungen auf die Umgebung (Geruch, Lärm, Parasiten)

Zulässig kann z. B. die Haltung von 3–4 Hühnern im Garten sein – sofern keine Hähne gehalten werden. Hähne gelten wegen des Krähenlärms regelmäßig als unzulässig in reinen Wohngebieten (vgl. VG München, Urt. v. 04.07.2016 – M 7 K 15.3684).

7.3 Exotische Tiere

Bei Schlangen, Spinnen, Echsen oder anderen exotischen Tieren steht nicht nur die Nachbarschaftsverträglichkeit, sondern auch der Gefahrenaspekt im Fokus. Viele Bundesländer haben hierzu Gefahrtierverordnungen, die bestimmte Tiere genehmigungspflichtig oder ganz verboten machen.

Zivilrechtlich relevant:

  • Halter muss Vorkehrungen treffen, dass Tiere nicht entweichen oder Nachbarn gefährden
  • In Eigentumswohnungen kann ein Verbot zulässig sein, wenn sich andere Eigentümer nachweislich bedroht oder gestört fühlen

7.4 Tierhaltung in Sonderformen von Wohnraum

Möblierte Mietverhältnisse, Ferienwohnungen, Untermietverhältnisse oder studentische Wohnheime stellen besondere Fälle dar:

  • Bei kurzfristiger Nutzung kann der Vermieter ein strengeres Verbot rechtfertigen
  • In möblierten Wohnungen ist das Interesse des Vermieters an Werterhalt besonders hoch
  • Trotzdem gilt auch hier: Kleintiere dürfen meist nicht pauschal verboten werden

8. Prävention und Konfliktlösung

Streitigkeiten rund um Tierhaltung lassen sich oft vermeiden oder entschärfen, wenn von Anfang an auf klare Regeln, offene Kommunikation und rechtlich fundierte Vereinbarungen geachtet wird. Denn auch wenn das Nachbarschaftsrecht im Ernstfall rechtliche Mittel bietet, ist der Weg vor Gericht häufig langwierig, belastend – und vermeidbar.

8.1 Kommunikation statt Konfrontation

Ein großer Teil nachbarschaftlicher Konflikte entsteht durch Missverständnisse, fehlende Absprachen oder mangelnden Austausch. Eine direkte Ansprache – sachlich und lösungsorientiert – kann oft mehr bewirken als ein formeller Rechtsstreit.

Empfehlung:

  • Frühzeitige Klärung bei auftretenden Problemen
  • Persönliches Gespräch suchen, bevor Anwalt oder Verwaltung eingeschaltet werden
  • Gemeinsame Lösungen aushandeln (z. B. Rückzugsorte für das Tier, Ruhezeiten einhalten)

8.2 Klare Regelungen in Miet- und Gemeinschaftsverträgen

Um unnötige Konflikte zu vermeiden, sollten Mietverträge oder Gemeinschaftsordnungen möglichst klare, differenzierte Klauseln zur Tierhaltung enthalten. Pauschale Verbote sind oft rechtlich angreifbar – differenzierende Regelungen dagegen wirksam und fair.

Regelungsinhalte können sein:

  • Zustimmungspflicht bei bestimmten Tierarten
  • Einschränkungen bei der Zahl der Tiere
  • Nutzungsvorgaben für Gemeinschaftsflächen
  • Konsequenzen bei Verstößen

8.3 Hausordnungen sinnvoll nutzen

Eine gut formulierte Hausordnung kann helfen, das Miteinander im Gebäude zu strukturieren – etwa durch:

  • Leinenpflicht in Gemeinschaftsbereichen
  • Ruhezeiten für laute Tiere
  • Reinigungspflichten bei Verschmutzungen

Voraussetzung: Die Hausordnung muss vertraglich einbezogen und zumutbar sein.

8.4 Mediation und Schlichtung

Wenn Konflikte bereits eskaliert sind, kann eine außergerichtliche Streitbeilegung sinnvoller sein als ein Gerichtsverfahren. Viele Städte bieten Schiedspersonen, Schlichtungsstellen oder private Mediatoren, die helfen, eine tragfähige Lösung zu finden.

Vorteile:

  • Kostengünstiger und schneller als ein Gerichtsprozess
  • Erhalt des nachbarschaftlichen Friedens
  • Individuelle, flexible Lösungen möglich

9. Fazit

Die Haltung von Tieren in Wohngebäuden ist rechtlich nicht grundsätzlich verboten, aber sie unterliegt engen Rahmenbedingungen, die dem nachbarschaftlichen Ausgleich dienen. Im Spannungsfeld zwischen Tierliebe und Rücksichtnahme gilt: Rechte ja – aber nicht ohne Grenzen.

🔍 Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Mieter dürfen Kleintiere meist ohne Erlaubnis halten, größere Tiere wie Hunde oder Katzen aber nur mit Zustimmung – es sei denn, die Haltung ist stillschweigend akzeptiert oder vertraglich erlaubt.
  • Eigentümer in WEGs dürfen grundsätzlich Tiere halten, müssen aber Rücksicht auf die anderen Eigentümer und die Gemeinschaftsordnung nehmen.
  • Wesentliche Beeinträchtigungen (Lärm, Gerüche, Gefahren) können verboten oder eingeschränkt werden – auch gerichtlich.
  • Assistenztiere genießen besonderen Schutz und dürfen in der Regel nicht verboten werden.
  • Vermieter und Eigentümergemeinschaften sollten Regelungen zur Tierhaltung präzise und sachlich gestalten – pauschale Verbote sind oft unwirksam.
  • Nachbarn haben Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bei erheblichen Störungen – Beweisdokumentation ist entscheidend.
  • Mediation und Kommunikation sind oft die besten Wege zur Lösung, bevor der Konflikt eskaliert.
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